Denkschrift der Schützengesellschaft Neuhausen / Erms 1611 e.V., gegründet ums Jahr 1600

Auszüge und Zusammenfassung des Originals von Hermann Sattler,
Gerichtsnotar a. D., Metzingen, 1933:

Vermutlich wurde die Schützengesellschaft Neuhausen im Jahr 1600 gegründet. „Die Gründer der Gesellschaft machten sich zur Aufgabe, die Kunst und Übung des Schießens zur Verhütung des Müßiggangs zu treiben zwecks Rettung von Leib und Leben sowie im Bestreben, Alt und Jung tätig und lustig zu erhalten, auch zum Schutze des Vaterlandes das Nötige in seinem Teile beizutragen.

Im Dreißigjährigen Krieg kamen die Aktivitäten zum Erliegen, wurden aber später wieder aufgenommen. Davon zeugt ein vom hiesigen Bürgermeister und Oberschützenmeister Bernhard Kaiser der Schützengilde zu Neuhausen im Jahr 1651 gewidmetes Glasgemälde. Zu sehen ist er, der vermutlich auch der Stifter des Bildes war, in der Bildmitte. Im Januar 1663 starb er und hinterließ in der Gilde eine empfindliche Lücke.

An der rechten Seite findet sich die lateinische Aufschrift „Fides“, welche für Glauben, Treue und Wahrhaftigkeit steht. An der linken Seite ist das Symbol der Jungfrau zu sehen, in welcher die „Spes“, also die Hoffnung, verankert wird. Der obere Teil des Bildes führt den Beschauer zur beliebten Schießstätte, wo sich der Wettkampf mit der Büchse entwickelt. Eine besondere Rolle ist dabei dem Pritschenmeister zugeteilt. Dies sind lustige, hanswurstartig gekleidete Gesellen.

Das letzte Schießen im Jahr, meistens am 28. Dezember, dem Pfeffertag, endete mit einem Schmaus und anschließendem Tanz in der Schützenstube. Das Treiben in der Gaststätte wird im unteren Teil des Bildes dargestellt. Die Schützen verschmähten den guten Tropfen von Gott Bacchus nicht. Im eigenen Keller lagen zum Verbrauch verschiedene zur alljährlichen Herbstzeit gefüllte Weinfässer im Gehalt von 10, 7 und 5 Imi. In einer noch heute im Schützenhaus ausgestellten Zinnkanne mit 6 Maß Inhalt wurde der gute Neuheuser Rebensaft ausgeschenkt.

In dieser Weinlaune griffen die lustigen Schützen zur Unterhaltung oft zum Würfelbecher. Auch Familienereignisse wie Geburtstags-, Verlobungs- und Hochzeitsfeiern von Mitgliedern fanden hier im trauten Kreise die gebührende Bekräftigung. Die Sorgen des Alltags suchte man gehörig abzuschütteln und auch ein schöner Gesang erhöhte die Stimmung der Gäste, soweit sich nicht der jüngere Teil zum Tanzen entschlossen hatte. Nach der Uracher Oberamtsbeschreibung von 1907, S. 329, hatte die Verlobung die scherzhafte Bezeichnung Füdlesklapf.

Im Inventarbuch finden sich Einträge u. a. aus den Jahren 1612 bis 1615, 1696, 1699, 1718 und 1780, welche jeweils die Übergabe der einzelnen der Schützengesellschaft gehörigen, beweglichen Sachen in die Obhut der neu gewählten beiden Schützenmeister bestätigen.

Über das Schicksal der Gesellschaft von 1752 bis 1830 herrscht große Dunkelheit. Nicht nachweisen lässt sich in den öffentlichen Büchern, dass die Schützengilde früher Eigentümerin eines Viertels am Gasthaus zum „Zum Ochsen“ war. Fest steht aber, dass die hiesige Gemeinde, deren Besitzstand erst im Jahr 1823 im Güterbuch eingetragen wurde, schon nach dem ältesten Feuerversicherungsbuch 1808 Eigentümerin von einem Viertel des betreffenden Gasthauses war.

Dieser Anteil der Gemeinde geht unter der Bezeichnung „Schützenstube“ oder „Badhaus im mittleren Stock“ unter dem 1. März 1821 käuflich auf Ochsenwirt Bazlens Witwe für 250 Gulden über. Der Gemeinde gehören außerdem zwei weitere Gebäude, die im Notfall zu Armenzwecken benützt werden können. Die Schützenstube war nach volkstümlichem Sprachgebrauch „die Bettelstube“.

Der Schützenverein Neuhausen besitzt die Urschrift der Statuten und Schützenordnung der Gilde, entworfen im Januar 1830 und genehmigt vom Kgl. Oberamt Urach am 28. Dezember 1831.

§1 der Satzung lautet: „Der Hauptzweck der Schützengesellschaft ist, dass immer eine Anzahl von Bürgern mit Schießgewehren vertraut werden und solche gebrauchen lernen, um in Notfällen sich und ihre Mitglieder beschützen zu können. Nebenzwecke sind: Durch dieses Institut bürgerliche Eintracht und wechselseitiges Vertrauen zu erwecken und zu nähren, durch öffentliche Schießübungen jüngeren Bürgern Gelegenheit zu schaffen, gleich den älteren den Gebrauch von Feuerwaffen kennen zu lernen und diese schöne Sitte unserer Voreltern fortzupflanzen.

In 21 Paragraphen wurden genaue Vorschriften für das Verhalten der Mitglieder entrollt. Die Paragraphen 8 und 9 normieren die Zahl der Mitglieder dahin, dass nur 24 Mitglieder gegen ein Eintrittsgeld von 1 Gulden aus der hiesigen Gemeinde aufgenommen werden sollen.

Von den Jahren 1833 bis 1845 geben die durch Verwaltungsaktuar Schlehner in Urach gestellten Rechnungen genauen Aufschluss über die Vermögensverwaltung der Gilde.

In der Hauptversammlung vom 20. Dezember 1907 erging der Beschluss, zwecks Anlegung eines neuen, vorschriftsmäßigen Schießstandes die erforderliche Grundfläche zu erwerben. Die Vorschriften für die Vereinsleitung und die Kassen- und Rechnungsführung sind in 20 Paragraphen geregelt. Aus der vom Schützenmeister Bazlen abgelegten Rechnung für die Zeit vom 1. Januar 1908 bis 26. Oktober 1909 werden die Einnahmen und Ausgaben genauestens dokumentiert. Beim Eintritt in das Kriegsjahr 1914 zählt die Gesellschaft 35 Mitglieder.

Der Schießsport vermehrte sich in den Jahren 1909 bis 1914. Statt des jährlichen Pfeffertagschießens wurden im Laufe der einzelnen Jahre übungs-, Frühlings-, Hochzeits-, Jäger-, Hammel- und Schlussschiessen abgehalten.

Am 17. Februar 1915 ist im Alter von 33 Jahren der Schützenbruder Ernst Weiblen, Postsekretär, gefallen. Zu seinem Andenken ist im Schützenhaus eine Trauerscheibe angebracht worden. Außer dem Genannten ereilte kein Mitglied der Heldentod.

Von 1914 bis 1919 unterzog sich die Gesellschaft in der harten Kriegszeit der ernsten Aufgabe, jüngere Leute und ältere Angehörige des Landsturms, welchen die Einberufung zum Heeresdienst bevorstand, mit dem Gebrauch der Schießwaffe vertraut zu machen und diese Männer im richtigen Schießen tüchtig zu unterweisen.

Die im Jahr 1910 neben dem Schießstand auf Freiposten errichtete Halle konnte den Einflüssen der Witterung nicht mehr standhalten, sodass im Februar 1928 die Erbauung einer heizbaren Schützenstube eingeleitet, die bis zum Mai 1928 ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Am 6. Mai 1928 erfolgte die Einweihung der Schützenstube, die vom Oberamt Urach die Erlaubnis zum selbständigen Betrieb der Wirtschaft an Sonn- und Feiertagen erhielt.

Bei der Einweihung stiftete Albert Bazlen zur Erinnerung an seine 40-jährige Mitgliedschaft, verbunden mit 25-jähriger Tätigkeit als Oberschützenmeister, eine silberne Schützenkönigskette. Sie sollte beim alljährlichen Frühjahrsschießen auf denjenigen Schützen zum Tragen übergehen, welcher auf der Plattenscheibe den besten Tiefschuss erzielte.

Zur Erinnerung an die 300-jährige Existenz der Schützengilde hielt sie am 7. September 1930 ein Jubiläumsschießen unter den Mitgliedern ab. Aus diesem Anlass stellte die bekannte Präganstalt Mayer & Wilhelm in Stuttgart in künstlerischer Form einen Jubiläumsschützentaler her. Auf der Vorderseite zeigt er das wohlgelungene Reliefbildnis des hochverdienten Oberschützenmeisters Albert Bazlen, die Rückseite ziert das amtlich geführte Siegel der Gemeinde Neuhausen mit der Jahreszahl 1611. Die Umschrift lautet: „Zur Erinnerung an das 300-jährige Bestehen der Schützengesellschaft Neuhausen a. E.“

Durch die bekannte Güte des langjährigen Mitglieds Karl Eisenlohr, Fabrikant in Reutlingen, ist der Schützengesellschaft im Sommer 1933 eine in Kunststickerei gefertigte Fahne gewidmet worden. Die feierliche Übergabe der Fahne an die Gilde fand am 8. Oktober 1933 statt. In Anerkennung der vielen Verdienste des Ehrenschützenmeisters Karl Eisenlohr um die Schützengesellschaft ließ dieselbe für den erwähnten Tag einen Schützentaler prägen mit der Aufschrift: „Zur Erinnerung an das Fahnenweihe-Schießen der Schützengesellschaft Neuhausen/Erms“. Diesen Festtaler konnten die Schützen im Wettbewerb erschießen, wovon ausgiebig Gebrauch gemacht wurde. Die Mitgliederzahl betrug 48.

Damit sind in kurzer Form die Schicksale der Gilde während der Zeit von mehr als drei Jahrhunderten niedergelegt.

Bearbeitet von Peter Rogosch,
1. Vorsitzender des Arbeitskreises Stadtgeschichte Metzingen